südschweden 2008.

Tag 1.

Sonntag, 27.07.2008



Wir sind auf der Fähre. Irgendwo da hinten ist Deutschland. Weit weg, nicht mehr erkennbar. Vor uns liegt Schweden, man erkennt die Umrisse. Da! Da ist es! Gleich da…

Die Sonne geht unter. Der Himmel färbt sich langsam von blau zu orange. Keine Wolke. Ab und zu fliegen kleine Salzwassertröpfchen in mein Gesicht. Schmeckt gut irgendwie… Ich liege über zwei Stühle verteilt, schaue in die Sonne, sehe mehr als Licht. Um mich herum spielen kleine schwedische Kinder. „Mamusch“ rufen sie, ihre Mutter schaut auf.

Die Situation grad ist so schön, ich mag noch gar nicht ans Fahrradfahren denken.

Noch 13 Tage.

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Tag 2.

Montag, 28.07.2008



Die Nacht war furchtbar. Fehler gemacht. Scheißgefühl. Sonst eigentlich ein schöner Tag. Stressig zwar, 50 km gefahren, Beine tun weh, Hintern noch viel mehr. Die illegale Dusche im Campingplatz in Trelleborg hat nicht viel genützt. Stinken wieder.

Fertig. Schöne Bucht gefunden, Sandstrand, eine alte Bunkeranlage, bizarr und schön. Erinnert mich ein bisschen an LOST. Sind in Ystad.

Heut abend ists kälter als gestern, das Lagerfeuer wird kleiner, die Wellen größer, meine Augen schwerer…

Noch 12 Tage.

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Tag 3.

Dienstag, 29.07.2008



Gut geschlafen. Sind heut von Ystad nach Käseberga gefahren. War gut, auch wenn die Lust zum Fahrradfahren immer noch nicht aufgekommen ist. Bei mir zumindest.

Käseberga ist ein Loch. Wäre das Meer nicht, würde mich hier nichts halten. Der Aussichtspunkt (Pseudo-Stonehenge. Langweilig.) ist zwar schön, aber auch nicht das Wahre.

Nach Käseberge wurde das Fahrradfahren richtig scheiße. Bescheuerte Schnellstraßen, Gegendwind, leicht bergauf…meine Laune ging bergab, schnell. Oli nervt. Wir müssen was schaffen, meint er. Ich muss gar nichts. Hab keine Lust mehr, will Urlaub. Sofort, bitte.

Abends ists dann wieder schön. Haben eine zauberhafte Stelle am Meer gefunden, viele kleine Hügel im Sand, ganz niedlich. Die Ostsee wirft hohe Wellen heut. Ich weiß nicht genau, wie ich mich fühlen soll. Tagsüber nervts, abends ist total toll. Abwarten. Vielleicht gibt’s ja bald wieder Fahrradwege.

Noch 11 Tage.
(Manchmal denke ich daran, abzuhauen…)

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Tag 4.

Mittwoch, 30.07.2008



Das Wetter ist immer noch sauheiß. Die Nacht im Zelt zu verbringen, wird langsam überflüssig. Man schwitzt sich morgens eh wach.

Die Tour heut führt nach Vik. Und von da aus weiter nach Knäbäckshusen. Ein kleines, unheimliches Dorf, sieht aus wie in die Landschaft gesetzt, einfach so. Die Dämmerung macht die Stimmung bedrohlich schön. Aus diesem Ort kann man soviel machen, Sektengeschichten, Teenie-Horror-Märchen, alles. Auf einer Lichtung steht ein großes Herz, eigenartige Schilder wollen irgendetwas sagen. Eine verfallene Kapelle, komische Kreuze im Sand und im Wasser… alles scheint nicht natürlich, alles scheint fremd irgendwie. Wir fragen die Leute, die da sind, erfahren, dass es eine Luther-Kirche ist, die Kapelle zum Heiraten genutzt wird, das Herz zum Hochzeitsfoto und die Löcher im Sand von spielenden Kindern, es sei ein beliebter Badeort.

Wir schlafen unter freiem Himmel. Es ist windstill, der erste Ort in Schweden, wo es am Meer komplett windstill ist. Wir zählen Sternschnuppen. Wünsche wünschen. Schlafen.

Noch 10 Tage.

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Tag 5.

Donnerstag, 31.07.2008



Heutiges Ziel: Åhus. Das Fahren macht Spaß heut, anfangs noch bisschen bergig, dann gechillt auf Radwegen durch den Wald. Habe auf ner 90 km/h-Schnellstraße mein Wasser verloren. Vorbeirasende LKWs machen Rettungsversuche unmöglich. Schade.

In Åhus dann gute Laune, vielleicht zu gut. Will Susi in den Graben drängen, nicht wirklich, zum Spaß nur. Kurz darauf sagt Moni, dass sie heut wohl in einen Zaun fährt. Viele Zeichen, keine Beachtung. Naja, und dann hat sich halt mein Fuß in den Speichen des Vorderrades verfangen. Von 15 km/h auf 0 km/h in weniger als einer Sekunde. Mein Gepäck lässt mich nicht vollends über den Lenker absteigen, ich „stehe“ nach kurzer Flugphase wieder. Dann aber fährt Swantje noch hinten drauf, und ich falle dann doch um. Auf die Hüfte. Tut weh. Rad kaputt, ich auch. Schieben zum Strand, Susi fragt, wann wir baden gehen. Wir schlagen unser Lager auf, beschließen den nächsten Tag gezwungenermaßen in Åhus zu verbringen.

Abends gehen Oli, Swantje, Lukas und ich noch Pizza essen. Laufen schmerzt ziemlich. Schweden bezeichnen 3,5%-Bier als Starkbier. Trinken des Geldes Wegen ein Leichtbier. Wasser hätte es auch getan.
Einschlafen wird schwierig. Bein tut weh, weiß nicht, wie ich liegen soll. Alle andern schlafen schon, als wir wieder am Strand ankommen. Schaue in die Sterne. Bin kurz vorm Aufgeben, plane auf eigene Faust und ohne Rad nach Stockholm zu fahren. Und die andern dann in Malmö wiederzutreffen.

Noch 9 Tage.

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Tag 6.

Freitag, 01.08.2008



Mit Lukas durch Åhus gelaufen, sämtliche Fahrradläden und Recyclingstationen abgeklappert, im Endeffekt dann doch ein neues Vorderrad für 480 Kr gekauft, Fahrrad halbwegs fahrtüchtig gemacht. In der Stadt ein riesiges Eis (OttoGlass!) gegessen, abends wieder Pizza. Im Großen und Ganzen den Tag vergammelt. Urlaub gemacht quasi.

Übernachten im Militärgebiet. Kriegsspielplatz der schwedischen Armee. Inklusive nach Verwesung stinkenden Plumpsklo (zwei Schweden, die in der Nähe wohnen, sagen Scheißhaus…). Wir schlafen wieder im Zelt, es soll Regen geben. Der Himmel sieht wahnsinnig aus. Verworrene Wolkenspiele. Schleier. Dämmerung. Die Schmerzen beim Liegen sind weniger geworden, liegt wohl am Paracetamol. Radfahren geht, langsam, aufsteigen ist das größte Problem.

Ich schlafe schnell ein, träume viel, auch von zuhause. Und von Tornados.

Noch 8 Tage.

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Tag 7.

Samstag, 02.08.2008



Die Nacht hat es zum ersten Mal geregnet, wie erwartet. Hatte irgendwas schönes, endlich ist es nicht mehr ganz so heiß. Am Morgen das kaputte Vorderrad komplett geschrottet. Sieht aus wie Päcmän. Lassen es da, als Erinnerung an uns. Die Armee wird’s freuen. Können ja drauf schießen, wenns Spaß macht.

Heute fahr ich wieder Rad, am meisten schmerzen tut immer noch Auf- und Absteigen. Wir haben die Tour gekürzt. Das Ziel ist jetzt Karlskrona, nicht mehr Öland. Gut so, ich hab keine Lust mehr auf Radfahren. Will gern heut schon in Malmö sein. So schön Strände auch sind, langsam brauch ich eine richtige Stadt.
Heute sind wir in Bromölla an einem See. Saßen auf den Steinen am Ufer, haben ins Wasser geschaut. Keine große Wellen, ein leises Plätschern. Alles ganz friedlich. Ruhig. Waren eben im Campingplatz duschen, warm, lange. Schönes Gefühl.

Im Zelt wird das Licht der Taschenlampe langsam schwächer. Von draußen fliegen Mücken gegen das Zelt, wollen zum Licht. Später bricht eine Ben-o-manie aus. Dann ist Ruhe. Hin und wieder hört man ein Auto.

Noch 7 Tage.

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Tag 8.

Sonntag, 03.08.2008



Am Morgen aufgewacht, mit dem Verlangen nach einer warmen Dusche. Die Erinnerung vom Vorabend war noch sehr präsent. Haben uns wieder eingeschlichen. Geduscht, als wären wir grad aufgewacht. Selbstvergessen. Augen zu. Vielleicht zu selbstsicher. Tyska Idiota. Schrie der Duschwärter, als er uns erwischte. Deutsche Idioten. Mussten 200 Kr Strafe zahlen, der Mann schrie, sein Gesicht sprach Bände. Aggressiv war er. Stocherte mit dem Besenstil in der Dusche rum, wollte uns rausjagen. Naja. Haben bezahlt und das wars.

Die Tour heute war komisch. Zu bergig für mein kaputtes Bein. Meine Laune verlor sich dementsprechend im unteren Bereich. Mittags an einer Tankstelle (wie schön) Instantnudeln (wie lecker) gegessen. Oli’s Rad musste geflickt werden. Hat gedauert.
Die Weiterfahrt war auch blöd. Plötzlich waren wir auf einer Autobahn. Holzlaster überholten uns, zu nah… Angstkribbeln.

Trotzdem sind wir irgendwann in Karlshamn angekommen. Haben eine schöne Stelle an der Scherenküste gefunden, Lagerfeuer gemacht, Kötbullar gegrillt. Mir fehlt grad meine Gitarre, es wäre alles so perfekt.
Komisch, dass abends die Strapazen und Nervigkeiten des Tages vergessen sind…
Im Wald ist ein toter Baum. Der spuckt Feuer. Und Brot. Auch der Grasmann lebt hier unter einer Falltür. Die Stege wackeln, quietschen, seekrank kann man auch ohne Schiff werden. Auf den Steinen liegen ist für den Moment ungewohnt bequem.

Sternschnuppe. Wunsch. Ein Lächeln. Zähneputzen, ins Zelt. Julian und Luis lachen, lange. Mein Augen fallen zu. Der Wind klingt nach Regen…

Noch 6 Tage.

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Tag 9.

Montag, 04.08.2008



Die Nacht war stürmisch, neben unsrem Zelt erbrach sich ein Ast. Hat uns nicht getroffen, leben noch. Wir bleiben noch einen Tag in Karlshamn, das Wetter ist zu ungemütlich. Die Mädchen habenin einer Umkleidekabine unten am Strand übernachtet, ihr Zelt war geflutet. Oli und ich haben um Überleben gekämpft, die Zeltwände kamen oft immer näher. Es hat gehalten…

Der Tag in Karlshamn war eigentlich unspektakulär. Hab den schlecht gelauntesten schwedischen Pommesverkäufer getroffen. Vorm ICA läuft ein Pfandsammler oder irgendein anderer normaler Mensch, den das System im Stich lässt. Neonorangene Sachen, Bier in der Hand, Pfand in der Tüte. Bier ist alle, öffnet eine neue Dose, läuft unbeirrt weiter. Trist. Wie das graue Wetter.

Doch es gibt sie, die kleinen Farbtupfer an dem Tag. Haben einen Antiquariätenladen gefunden. Mit großer Plattenabteilung. Leonard Cohen’s „Songs from a room“ von 1969 für 90 Kr. Hab ich mir gekauft, ich konnte nicht anders. Wunderbar, ich liebe Plattenläden, es gibt nichts schöneres, als stundenlang zu kramen, zu wühlen, zu suchen, zu finden, zu schwärmen.

Ein paar Ecken weiter haben Oli und ich ein niedliches Café gefunden. Haben lange dagesessen, Handy aufgeladen, Kaffee & Kuchen, ein paar Zeilen für die, die nicht hier sein können. Kaffeehauslyrik.
Die Nacht am selben Ort verbracht, ruhiger… nicht wärmer.

Noch 5 Tage.

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Tag 10.

Dienstag, 05.08.2008



Duschen wäre schön. Warm…lange…ohne aggressive Schweden… egal. Wir frühstücken auf dem wackeligen Steg. Fladenbob. Wie immer.

Moni, Susi und ich fahren mit dem Zug nach Ronneby, die andern mit dem Rad. Gruppentrenung? Nein, sowas ist doof. Sagen alle. Bäh Gruppentrennung. Wollen abends alle gemeinsam mit dem Zug weiter nach Karlskrona. Gut, okay.

In Ronneby haben wir Raben-LaOla gespielt. Raben folgen unseren Handbewegungen. Käsenbrötchen. So schön kann Käse sein. Ronneby’s Touristenbüro ist nett, sie nehmen unser Gepäck in Gewahrsam bis zum Abend. Die Stadt ist schön, größer als zuerst gedacht…

Abends treffen wir die anderen am Bahnhof wieder. Die Tour war bergig, anstrengend, sagen sie. Aber die Landschaft war ja soo schön. Ist klar. Können gar nicht sagen, wie. Haben sich entschieden, in Ronneby zu bleiben und am nächsten Tag mit dem Rad nach Karlskrona nachzukommen. Bäh Gruppentrennung? Eher nicht. Swantje, Lukas und Oli schließen sich Moni und mir an, Susi wechselt zu den Radfahrern. Wir fahren mit dem Zug nach Karlskrona. Finden einen Zeltplatz, viele Steine, Moni hat den größten unter sich, wie es scheint.

Nudeln gegessen, ab ins Zelt. Singende Mücken, Ohrenkneiper, Oli will schlafen, Hände, Doofheit? Egal…

Noch 4 Tage

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Tag 11.

Mittwoch, 06.08.2008



Karlskrona. H&M. Shopping-Tag, erholsam. Langsam wird der Urlaub zum Urlaub. Ich mags.
Und dann: Wayne’s Coffee. Kaffee zu Starbucks-Preisen, lecker, ich könnte ewig hier sitzen. Dann kommt eine SMS, die andern sind da, wir sollen sie abholen. Bleiben trotzdem noch im Café, es ist grad so schön, beschließen in einer Stunde da zu sein.

Man merkt gleich, als man die anderen trifft, das etwas nicht stimmt, die Stimmung ist verwirrend. UNO spielen sie, als wäre nichts. Im Camp angekommen, Zelte aufgebaut, Zeltbelegung bleibt wie letzte Nacht. Gruppentrennung ist komisch, verwirrend.

Weiterfahren wollen sie, ohne uns, nach Kalmar, fast bis Öland, Malmö soll ausfallen. Haben sie so geplant. Ohne uns. Gruppentrennung bäh? Komischer Gruppenurlaub. Diskussionsrunde. Haltet mich zurück, ich würde gern was werfen. Verbal. Vielleicht. Alle wären ja so glücklich. Glücklich. Nervt. So sehr, das ich mich verschlucke. Alle nerven grad. Dabei mag ich sie doch eigentlich… ich weiß nicht.
Ich habe gelernt, dass ich nicht trösten kann. Vor allem nicht, wenn ich aggressiv aufgeladen bin. Erfahre Dinge aus meinem Leben, die ich so noch nicht wusste. Schlafe so spät ein, wie noch nie. Der letzte Blick auf die Uhr… 3.15 Uhr.

Wir fahren nach Malmö. Oli, Moni, Swantje, Lukas und ich. Die anderen nach Kalmar. Wiedersehen soll in Trelleborg sein. 18.00 Uhr. McDonalds.

Nungut. Wir töten ein paar Ohrenkneiper.

Noch 3 Tage.

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Tag 12.

Donnerstag, 07.08.2008



Luis fährt beim Abschied gegen eine Laterne. Alle andern winken mit Taschentüchern, der Zug rollt. Ich freu mich auf Malmö, unglaublich, gleich, bald sind wir da.

Die Zugfahrt ist entspannend, wir sind kurz vor Malmö…

Dort angekommen, gemerkt, dass es total warm ist, ich mag den Bahnhof. Wir fahren los, suchen eine Stelle zum Übernachten, eine, wo uns nicht jeder sieht. Finden eine versteckte Lichtung im Wald, 10 km hinter Malmö, Klagshamn heißt das Örtchen. Bis 4.20 Uhr fahren die Busse ins Dorf.

Das Meer hier ist widerlich. Tot ist es, grau. Stinken tut es, unnatürlich warm ist es auch. Ein Krebs krebst durch tote Algen. Die Öresundbrücke ist gigantisch, kein Ende in Sicht.

Dornen, Bäume, Geräusche, Rauschen. Ab und zu ein Motorrad. Feuerholz sammeln, das Feuer brennt schon. Schönes Gefühl, am Feuer zu sitzen, in die Flammen zu schauen und einfach nichts zu tun, nichts zu sagen, viel zu denken. Mein Gesicht wird warm, meine Augen sehen außer den Flammen nur Umrisse. Und Schwärze.

Wir gehen spät schlafen, morgen geht’s nach Malmö, den Tag nutzen.

Ich mag es hier, fühle mich wohl.

Noch 2 Tage.

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Tag 13.

Freitag, 08.08.2008



08.08.08. Die Eröffnung der olympischen Spiele. Weit weg, nichts könnte mir grad egaler sein. Wir frühstücken am ausgepullerten Feuer, verschließen unsere Zelt und radeln in die Stadt.

Das Wetter ist suboptimal. Immer wieder regnet es, daraufhin ists immer gleich wieder sehr warm. Uns fällt die Landesvorwahl von Schweden nicht ein, wollen die Telefonzelle anrufen.

Im H&M viel Geld gelassen. Shoppen in Schweden ist viel leichter, Kronen sind schwerer zu kontrollieren als Euro. Außerdem gibt’s ja Bankautomaten. Schwedbank. Hallo Geld.

Da hinten ist Wayne’s Coffee! Absacken, zwei Stunden lang. Kaffee, Muffin, Smoothie, viel Geld, keine Sorgen drum, viel Ruhe, viel Urlaub.

Abends im Pizzahut gegessen. Die Nobelvariante des deutschen Fastfood-Molochs. Überhaupt nicht zu vergleichen. Teuer, Loungemusik, Restaurant eben. Mit Karte und Bedienung. Keine Fastfood-Stücken to go.

Wir sind in Malmö. Alles ist gut, alles ist richtig.

Es ist dunkel. Haben keine Lust, mit dem Rad zum Camp zurückzufahren. Moni und ich nehmen den Bus. Fahrräder dürfen eigentlich nicht mitgenommen werden, aber weil wir ja Tyska Idiotas sind, ist der Fahrer gnädig. Kostenlos nimmt er die Räder mit und rast in Richtung Klagshamn. Möllevagn heißt unsere Station. Sind fünf Minuten eher da, als im Fahrplan steht. Setzen uns hin, warten auf die anderen. Die Wolken sehen aus wie ein Pfeil…

Gegen 0 Uhr sind wir am Zelt. Schlafen gehen, schlafen schnell ein, träumen lange, da hinten wird’s schon hell. Es ist 4.30, als wir einschlafen.

Noch 1 Tag.

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Tag 14 / Tag 15.

Samstag / Sonntag, 09./10.08.2008



8 Uhr klingelt der Wecker nach der letzten Zeltnacht des Urlaubs, nach der kürzesten. Zu wenig Schlaf, zu viel geträumt, trotzdem sind wir wach. In meinem Kopf tummeln sich tausend schöne Melodien. Laute, leise, hohe, tiefe. Schöne, traurige. Alles ist da, alles.

Schnell frühstücken, Zeug packen und zurück nach Malmö. Stellen unsere bepackten Fahrräder am Hafen ab, gehen in der Bahnhofsdusche warm duschen. Als ich wieder rauskomme, sind die anderen schon da. Und irgendwie hatte ich nicht damit gerechnet. Es gibt Diskussionen um die Heimfahrt, ich halte mich raus, mir ist alles egal, die Laune einiger färbt auf mich ab, ich will das gar nicht.

Wir machen eine Stadtrundfahrt. Ohne alle anderen. Ist zwar nur eine Pseudorundfahrt mit dem Linienbus. Eine Runde, eine Stunde, viele Gesichter, viele Dinge.

Ich möchte gern in Malmö studieren, fällt mir ein. Der Uniturm ist Wahnsinn. Das Meer vor der Tür, Studentenbuden mit Meerblick…was will man mehr? Mir fehlt Zuhause gerade überhaupt nicht. Malmö. Mensch… Malmö!

Ich habe mich verliebt in diese Stadt. Ich wandere aus, sobald ich groß bin. Scheißdeutschland!

Wir müssen zurück. Zurück zur Fähre. Ich mag nicht zurück. Morgen um die Zeit sind wir schon wieder in Deutschland. 25 km sind es bis Trelleborg. Laut Luise. Schade. Nach mehr als 40 km sinnlosem Hin- und Hergefahre kommen wir an. Ich wäre ja in Malmö einfach Richtung Trelleborg gefahren, als es ausgeschildert war… aber egal. Bin genervt. Statt 18.00 Uhr kommen wir kurz vor 8 an. ICA Supermega-Ding hat zu, suchen ewig nach einem Supermarkt, wollen noch Mitbringsel kaufen. Finden kurz vor halb 9 einen Willy:s, der bis 21 Uhr auf hat. Dank eines „blöden Scheißschweden’s“, wie Moni meint, der uns den Weg viel zu schnell gezeigt hat.

Wir kaufen Zeugs für die Familie daheim, große Tüten, vielleicht freuen sie sich ja.

Wir machen los. Zu McDonalds. Da waren wir auch am ersten Tag schon. Heute wieder. Zuviel Fresszeugs gekauft, nicht drum gekümmert, nicht drum gesorgt, was solls auch. Kurz vor Ladenschluss 22 Uhr stürmt eine Gruppe Menschen in Jogginghosen den Laden. Ein norwegischer Chor. Auf der Reise nach Prag. Zwischenstopp in Schweden. Bestellen alle zu viel. Pünktlicher Arbeitsschluss ist nicht. Irgendwann nach 22 Uhr tönt Jason Mraz’s „I’m Yours“ durch den Laden. Auf einmal singen alle, die Chormenschen, die McDonalds-Arbeiter, alle. Sie tanzen, singen, lachen. Wir machen ein paar Seifenblasen, summen mit, freuen uns. Diese Stimmung ist einzigartig. Alles ist so befreit, so leicht, so schön. Ich könnte ewig diesem Lied zuhören, nichts lieber als das. Diese Energie. Und das in einem McDonalds. Denk ich an die McDonalds-Besatzung in Deutschland, gruselt mich das. Kein Vergleich ist möglich, außer dass das McDonalds-M gleich aussieht.

Die Fähre fährt 3.00 Uhr am Morgen. Bis dahin müssen wir die Zeit rumkriegen. Wir gehen nochmal an den Strand vom ersten Abend. Es ist dunkel, genau wie damals. Windiger ist es, kälter. Wir sitzen eine Weile da, schauen in die Wellen, bekommen Sand in die Augen. Würde mich gerne hier hin liegen, hier bleiben, einfach vergessen, dass dich Fähre dann bald fährt… es ist alles so perfekt, genau in diesem Moment…

Trotzdem, wir machen los, es wird zu kalt. Die anderen haben sich in einem Hotel nahe der Fähre niedergelassen, das gleichzeitig Warteraum ist. Warm ists da. Wärme macht müde. Energydrinks helfen kurzzeitig. Kochen unter einer Treppe Nudeln. Liegen rum, schlaftrunken schlafen einige ein. Meine Augen fallen für wenige Minuten zu, ich schlafe nicht.

Komische Leute sind hier, Skater, die Bushido hören, betrunkene Nazis, die auf Luis fallen und sabbern. Deutsche. Immer weniger mag ich weg aus Schweden…

Check-In kurz nach halb drei. Vier Minuten zu früh verlässt die Fähre Schweden. Ich mag nicht weg. Und trotzdem entfernt sich Schweden immer mehr, wir fahren in die dunkle Nacht. Ich würde gern noch einige Wochen dran hängen, Stockholm sehen… aber wir fahren.

Ich schlafe kurz ein. Zum Sonnenaufgang bin ich wieder wach. Es gibt keinen Sonnenaufgang. Das deutsche Wetter ist trist, grau, keine Sonne. Es regnet leicht, wir gehen rein, legen uns auf einen Gang, schließen die Türen. Dösen eine Stunde vor uns hin, die eigenartig schlechte Musik aus den Lautsprechen beruhigt. Ab und zu steigen Leute über uns. Das Vibrieren der Fähre kitzelt.

Gleich ist es 7, da vorn ist Rügen. Schweden ist weg, zu weit weg.

Im Zug fahr ich rückwärts. Draußen ist es grau… ich mach die Augen zu, und bin wieder in Schweden.
Hallo, Deutschland. Du hast mir nicht gefehlt.

Noch 0 Tage.

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